Es geht beleidigend wenig voran. Weder hinsichtlich Plan A noch für Plan B. Resultat ist eine gähnende gedankliche Leere, welche hartnäckig gefüllt werden will. Das führt dazu, dass ich mich aus lauter Verzweiflung Dingen hingebe, die mir normalerweise komplett am Arsch vorbeigehen. Dies wird also eine Geschichte über ein Ding, das mir normalerweise komplett am Arsch vorbeigeht. Wer also nur an meinem beruflichen Nicht-Werdegang interessiert ist, braucht nicht weiter zu lesen. Mein beruflicher Nicht-Werdegang ist immer noch da und hat sich kein Stück verändert. Ich bin nur um ein paar Erfahrungsberichte reicher, dass der von mir nicht getätigte Besuch beim Arbeitsamt, solange man nicht irgendwelche Ansprüche auf Geld hat, tatsächlich nicht getätigt werden braucht.
Lieber verbringe ich meine Zeit mit anderen unnützen Dingen. Da aber das folgende unnütze Ding ideologisch kontaminiert ist, besteht für mich vielleicht die Möglichkeit, mir ein paar Feinde zu machen. Was mir dann doch wieder etwas Freude bereitet. Feindschaften sind nämlich gar nicht so übel. In der Regel brechen solche Leute dann jeden Kontakt mit einem ab, rufen nicht mehr an, schreiben keine E-Mails, gratulieren nicht mehr zum Geburtstag, grüßen nicht mehr, sondern wechseln die Straßenseite, um nicht ein paar Worte mit einem wechseln zu müssen, laden einen nicht mehr auf irgendwelche Feste ein - kurz: Sie lassen einen komplett in Ruhe. Horrend wäre es erst, wenn die Feinde plötzlich vor meiner Tür stehen würden, mir ne Flasche Wein in die Hand drücken würden und erwarten würden, mit ihnen einen ganzen Abend lang Twister zu spielen und dabei Spaß zu haben. Ich bin zutiefst froh, dass die meisten Menschen in dem Irrglauben leben, die erste Variante würde mich härter treffen.
Die Gedanken über das unnütze, ideologisch kontaminierte, mir normalerweise komplett am Arsch vorbeigehende Ding, um das es hier gehen soll, brauchen aber noch eine kleine Einführung, damit man versteht, warum dieses Ding unnütz, ideologisch kontaminiert und mir normalerweise komplett am Arsch vorbeigeht. Deswegen noch ein wenig Geduld.
Vor kurzem war ich im Kino. Ich gehöre zu denjenigen Menschen, die komplett wissen, wie oft sie in den letzten drei Jahren im Kino waren, welche Filme sie gesehen haben, wo sie diese Filme gesehen haben und in welcher Stimmung sie waren, als sie diese Filme gesehen haben. Zugegeben, das ist auch nicht weiter schwer, denn es waren ja auch nur ganze drei Kinobesuche. Aber es klingt so beeindruckend. Das unnütze, ideologisch kontaminierte, mir normalerweise am Arsch vorbeigehende Ding ist also Ins-Kino-Gehen? Nein, ist es nicht. Hat aber damit zu tun.
Wie gesagt, ich war im Kino - sehr zur Überraschung derer, die mich gefragt haben, ob ich mitkommen wolle. Der Kinobesuch verlief eigentlich ganz gut: kein schmatzend knutschendes Pärchen neben einem, niemand im Saal, der flüsternd lauter ist als normal redend, kein Drei-Meter-Mann vor einem sitzend und selbst der Film erzeugte nicht wie üblich eine nervende gähnende gedankliche Leere, die dazu führt, dass man 4/5 des Films daran erinnert wird, dass man vergessen hat, vorher auf die Toilette zu gehen. Alles war bestens. Der Film ist zu Ende, das Licht geht an, ich stehe auf, um mich der herausströmenden Masse anzuschließen, merke aber bald, dass ich der einzige meiner Truppe war und eine Erinnerung trifft mich mit voller Wucht: "Ach, Ihr gehört also auch zu den Menschen, die sich den blöden Abspann bis zum Schluss anschauen müssen?" Antwort: "Das verstehst Du halt nicht."
Willkommen zum unnützen, ideologisch kontaminierten, mir normalerweise komplett am Arsch vorbeigehenden Ding: Abspann im Kino anschauen. Ja, ich verstehe das nicht. Es gibt für mich nichts stupideres als freiwillig mehrere Minuten lang auf ne schwarze Leinwand zu starren und sich an den durchlaufenden nichtssagenden Namen zu ergötzen. Deswegen habe ich mich - es ist einfach unglaublich; es ist auch einfach nur erbärmlich; aber, hey, ich will nicht wissen, was Ihr macht, wenn Euch sterbend langweilig ist - tatsächlich etwas schlau gemacht, aus welchen Gründen Menschen meinen, "das gehöre halt dazu".
Es gibt zwei Typen von Abspann-Anseher: Nennen wir sie einerseits "die Pragmatiker" und andererseits "die pseudo-elitären, künstlerisch aufgeblähten, ideologisch verbrämten Fanatiker". Die Pragmatiker bleiben sitzen, weil sie hoffen bzw. erwarten, dass während des Abspanns und/oder danach, noch etwas passiert, sei es weitere Filmszenen, Outtakes oder nen kleiner Gag, ein Rausschmeißer quasi. Sie erwarten ein Mehr an Unterhaltung. Laut Wikipedia wurde das von der Filmindustrie absichtlich eingesetzt, um die Leute dazu bewegen, sich den Abspann anzusehen. Weil bislang der normal denkende Mensch vor der sicheren Erwartung minutenlanger Langeweile schnellstens die Flucht ergriff. Ergo begeht der Pragmatiker ein Tauschgeschäft: Er bedient das Interesse der Filmindustrie - Abspann anschauen - und wird im Gegenzug in seinen Interessen - Unterhaltung - bedient. Das ist in gewissen Maßen sogar nachvollziehbar. Blöd nur, wenn im Abspann nichts weiter passiert. Aber wir wissen ja alle, ein wenig Risiko gehört halt dazu. Pragmatische Abspann-Anseher wollen einen konkreten Eigennutz haben.
Im Gegensatz dazu die pseudo-elitären, künstlerisch aufgeblähten, ideologisch verbrämten Fanatiker. Die blicken sich bei Ende des Films um, sehen, dass die anderen Menschen gehen - und zwar zu 99% -, denken sich "Cool, wenn ich jetzt sitzen bleibe, bin ich anders als die anderen." Die anderen werden zu Spießern degradiert und sie selbst zur Elite der wahren Filmfans, die wirklich wissen, was cineastische Kunst ist, überhöht. Es wird also Identitätsstiftung für Arme begangen: Identität durch Abgrenzung, Sein als Nicht-Sein. Dass das ein bisschen dünn ist, um als Erklärung für das dämliche Verhalten am Ende eines Films zu dienen, wissen die Fanatiker selbst und müssen sich daher eine bessere Apologie ausdenken. So entsteht das Gesülze von "Man muss den Film, also dessen Eindrücke, auf einen wirken lassen. Das muss sich entfalten. Diese Hektik am Ende ruiniert doch den ganzen Kunstgenuss." Das ist so prima, weil so gar nicht fassbar, weil so gar nicht angreifbar. Weil, wenn "man es versteht", bleibt man sitzen, gehört "dazu", und wenn "man es nicht versteht", dann gehört man zu denen die gehen. So verhüllt man seinen kleingeistigen Ego-Trip mit einem Mantel der Erhabenheit, bis der Grad der Selbsttäuschung so weit gediehen ist, dass selbst der Unsinn des Abspann-Ansehens als Genuss daherkommt. Das Ansehen des Abspanns wird zum notwendigen Element der Identitätsbestimmung als elitäres alternatives Individuum umringt von einem Meer von Spießern und das Wohlgefallen an dem Dasein als elitäres alternatives Individuum umringt von einem Meer von Spießern zwingt zur fortwährenden Selbstvergewisserung in Form von Abspann anschauen bei jedem Kinobesuch. Fanatische Abspann-Anseher müssen sich den Abspann also ansehen, um sich selbst reproduzieren zu können.
Fanatiker wären keine Fanatiker, wenn sie den Grund für ihr Verhalten tatsächlich kennen würden. Deswegen wird dieses "Der Film muss wirken"-Getue von den Fanatikern durchaus glaubwürdig vertreten, weil sie es eben selbst glauben. Ich kann ja nachvollziehen, dass die Konfrontation mit Kunst - unabhängig von der Frage, ob das jetzt wirklich Kunst war oder nicht - das Bedürfnis nach Reflexion - "Wirkungen" - hervorruft. Aber man braucht mir nicht zu verklickern, dass das nur dann funktioniert, wenn man sich diesen Schrott von Abspann anschaut. Und wenn ja, dann ist das doch nur noch jämmerlich. Da wird mehr oder weniger bewusst behauptet, Menschen seien nur dann fähig, sensualistische Eindrücke geistig zu verarbeiten, wenn die Verarbeitung direkt im Anschluss per andachtsvolles Starren auf eine Leinwand, auf der gerade die Namen von Assistenz-Kosmetikerinnen und Catering-Personal durchrauschen, passiert. Das ist nichts geringeres als Beleidigung meiner Intelligenz. Und die der der anderen 99% des Kino-Publikums. Was wiederum ja auch mehr oder weniger beabsichtigt ist, sonst gäbs ja kein Kriterium mehr, warum sich die Elite-Gruppe von der Spießer-Gruppe unterscheidet.
Wie dem auch sei: Ich verstehe "es" nicht und werde mich auch in Zukunft nicht langweilen, indem ich mir den Abspann anschaue. Falls ich mal wieder ins Kino gehe. Aber normalerweise geht mir das auch komplett am Arsch vorbei. Normalerweise.
Dienstag, 27. November 2007
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2 Kommentare:
Ich wusste doch, das du das nicht verstehen würdest und daraus eine Ideologie machen würdest. :-)
Wenn es keine Ideologie sein soll, dann sollte doch mal mehr kommen als nur "Du verstehst es nicht". Das impliziert ja, dass es da was gibt, was man verstehen könnte. Ich bin gespannt.
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