Samstag, 11. Juli 2009

Geld ist nicht alles

Ich bin reich. Sehr reich. Aber nicht in dem popeligen Sinne, wie beispielsweise "reich an Erfahrungen", "reich an Lebensenergie", "reich an Vitamin C" oder sonstigen Kitsch, den sich Leute ausdenken, um ihre Misere schön zu reden. Ich bin klassisch und auf die einzig wahre Art reich: reich an Geld. Lohnerhöhung? Erbe? Lotto-Gewinn? Niere verkauft? (Seine Stimme bei politischen Wahlen meist bietend zu versteigern, bringt bei weitem nicht so viel wie gedacht.) Nein - einzig allein aus dem kapitalistisch dysfunktionalen Trick nichts auszugeben. Daran bin ich unschlagbar. Und dass nur, weil ich mich nicht entscheiden kann. Das Musterbeispiel für Marketing-Strategen, die höchst wissenschaftlich mit vielen, vielen Studien tatsächlich rausgefunden haben, dass zu viel Auswahl die Menschen davor abschrecken lässt zu kaufen. Was fürn Pech. Total old-school. Andere Strategen generieren jetzt auch Premium-Supermärkte mit Wohlfühlatmosphäre, um den Milch- und Eierkauf zum Life-Balance-Event hochzustilisieren. Und wozu? Nur um dann fünf Minuten vorm Regal zu stehen, bis man sich mal für ne Geschmacksrichtung von Ritter Sport-Schokolade entscheidet und hofft, dass die auch noch schmeckt. Da spürt man richtig die Vitalität in einem hochkriechen.

Deswegen habe ich auch noch nicht an der zivilisatorischen Errungenschaft der Coffee Companys teilgenommen. Kein Starbucks, kein SFCC, kein Fellows. Noch nie. Nie! Meistens will ich Kaffee. Aber Kaffee haben die nicht, sondern gefühlte 37. Bis ich geschafft habe, die Karte durchzulesen, ist der spontane Impetus "Konsumieren!" meist schon wieder verschwunden. Deswegen kein Styler-Kaffee mit Strohhalm, sondern nur Spießer-Filterkaffee von Tschibo zu Hause in einer  völlig unhippen Tasse. Aber wer in dem Münchner "trendy-soon-to-be" Stadtteil Milbertshofen aus völlig fragwürdigen Motiven sein Leben fristet, der kann Lifestyle wohl nicht mal buchstabieren. Wenn hier was konsumiert wird, dann ist es Alkohol. Viel Alkohol. Freitag Abends nach der Arbeit beim Tengelmann schön zu beobachten, wie sich die glückliche Menschheit fürs Wochenende (oder je nachdem für Freitag Abend) ordentlich mit Stoff versorgt. Ich habe Stil und garniere meinen Kauf von zwei Flaschen Wein mit einer hübschen Tiefkühlpizza. Denn! ich! bin! kein! Alkoholiker! sondern! total! gut! drauf! Jawoll!

Aber zur Feier meines Arbeitslosengeldanspruchs ("I did it!") habe ich für meine Verhältnisse äußerst spontan viel Geld bewegt. Nach nur vier Monaten Überzeugungsarbeit an mir selbst, intensiver Internetrecherche, diversen "Hast Du Ahnung von"-Gesprächen und einigen Kästen Bier zur Nervenberuhigung habe ich mir eine Kompakt-Digitalkamera gekauft. So viel Ekstase hatte ich nur als ich endlich nach zwölf Monaten Wankelmütigkeit einen Kleiderschrank erwarb. Gut, dass ich in München keine Auto brauche. Das würde ich nicht überleben.

Liebe Fangemeinde, die Zeiten meines langweiligen Lebens, in dem der Kauf eines Fotoapparats den Höhepunkt des Jahres markiert, sind vorbei. Denn ich werde jetzt der avantgardistischste, hippste, angesagteste Foto-Künstler, den die Welt je gesehen hat. Bei meinem Style machen sich alle Fashion-Tussen nass. Versprochen! Hier als Leckerli mein erstes Werk, mein erstes total hintersinniges Experiment - Dreidimensionales Weiß in perfekter Harmonie und Ordnung

Kunsthochgenuss

4 Kommentare:

Dein erster Fan hat gesagt…

BOA

Christoph hat gesagt…

Welche Kamera, welche Kamera? Technikdetails! Link zu Deinem Flickr-Account! Her damit, pronto!

Unknown hat gesagt…

geiler scheiss. von wegen kapitalistische dysfunktionalität - wie kommst du denn zu ner neuen handynummer als alter konsumverweigerer??? ;)

Wasserwaagenauge hat gesagt…

Was heißt denn hier perfekte Ordnung?? Als ob die Winkel akkurat wären... Hallo?!