Dienstag, 28. September 2010

Macht das Spaß?

Die Ereignisse verdichten sich und ich bin im Stress. Es ist ja nicht nur so, dass es neue Staffeln von ‘Dexter’, ‘Futurama’, ‘Weeds’, ‘House, M.D.’, ‘How I met your Mother’, ‘The Big Bang Theory’, bald auch von ‘Stargate Universe’ und etwas später von ‘Californication’ gibt. Nein, ich bin auch noch auf eine Hochzeit eingeladen. Das bedeutet - neben Hemd bügeln, zum 17. Mal Krawatte knoten erlernen, Torte backen und pointierten Hochzeitsgruß formulieren - vor allem: intensive mentale und rhetorische Vorbereitung.

Denn ich werde auf mir fremde Menschen treffen – das ‘mir fremde’ könnte theoretisch auch in Klammern stehen oder ganz wegfallen. Ich kenne ja niemanden. Mit ausgeprägter Stubenhockerei lauscht man eher selten spannenden Biographien. Der modernste Kontaktfähigkeitsindikator – eine komplexe Formel, die irgendwie die Anzahl der Facebook-Freunde mit den Xing-Kontakten und den gespeicherten Telefonnummern im Smartphone verrechnet – rangiert bei mir mit sehr viel Anstrengung knapp im zweistelligen Bereich. Die Folge: Kennenlern-Small-Talk droht en masse.

Jetzt gilt es zu antizipieren. Die erste Standard-Frage (‘Braut oder Bräutigam’) beantwortet sich noch ziemlich einfach. Die zweite (‘Woher kennt ihr euch?’) ist schon etwas trickreicher, aber machbar. Ich denke, mit der Wahrheit fahre ich am besten: ‘Er kam damals an, riss einen flachen Witz und ich antwortete großzügig: ‘Was willst du? Geh weg!’. Die Fallgrube lauert in der dritten Frage: ‘Was machst du so?’

Wie mich die Erfahrung der unzähligen Ü30-Partys lehrt, wirkt ‘Ich arbeite als PR-Schlampe’ als Anti-Aphrodisiakum per se. Selbst Müllmänner und Straßenkehrer erhalten mehr gesellschaftliche Anerkennung – immerhin werden sie auch besser bezahlt. Was uns aber vereint, ist der ewig gleiche Prozess: Morgens hin, Zeugs machen, Zeiterfassung füllen, abends wieder weg. Das gemeinsame Dilemma und übergroßes Manko: Wir partizipieren nicht in spannenden Projekten. Das-spannende-Projekt repräsentiert das postmaterielle Statussymbol an sich. Materielle Statussymbole sind doch out. Weil garantiert nicht in regionaler Bio-Landwirtschaft frei von Gentechnik oder unglücklichen Kühen gefertigt. Wobei strategische Unternehmens- und Politikberatung für Pharmaunternehmen und Energiekonzerne Standartenträger des-spannenden-Projekts – und damit vollkommen okay – sind. Man weiß ja, das ist selbstverständlich ironisch. Scheiße sein ist schließlich auch out.

Ich brauche daher ein Projekt. Ein sensationelles Projekt. Eins, das die Männer blass und die Frauen nass macht. Ausnahmsweise verarscht mich das Schicksal diesmal nicht und verhilft mir zu meiner Rettung. Es ist so: Die Holde Weiblichkeit verlässt mich gen Stuttgart, um sich den Protesten für eine bessere Welt mit mehr Kopfbahnhöfen anzuschließen. Mein umweltschützerisches Engagement in Form von ‘Ich wasche mich nur bei Kundenbesuch’ reicht offensichtlich nicht aus. Frau weg, Duschschwamm weg, Aloe-Vera-Kirschblüten-Kakaobutter-Ginseng-Lavendel-Honig-Milch-Seife weg. Alles furchtbar. Aber nun kann sich Mann endlich ungestört, ungehemmt und nackt dem-spannenden-Projekt widmen.

Ich baue ein Wikingerschiff.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dein Schreibstil gefällt mir, weiter so!

tscheburaschka hat gesagt…

Ich wehre mich entschieden gegen die hier geäußerten verleumderischen Unterstellungen, ich sei Dauerdemonstraning und Ultrafancyseifenbenutzerin. Richtig ist: S21-Demos halten die Kundschaft davon ab, in meinen Laden zu kommen, so dass ich nix verdiene. Aber macht nix: Nebenan ist Lush, da kann ich in der dadurch entstehenden Freizeit tausendprozentig ökologisch abbaubare Seife, Shampoo und Badeschaum erwerben und von der Ökotante zur Superökotante avancieren. Ich fahr jetzt nämlich auch immer Fahrrad, obwohl der Weg heim im 45-Grad Winkel steigt - zur S-Bahn komm ich ja nicht durch.