Donnerstag, 27. Dezember 2007

To do: Augen ausstechen

Es gibt Leute, die empfinden die Weihnachtszeit, neben Karneval/Fasching, Starkbierzeit, Wiesn, Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Ski-Saison, Bade-Saison, Sturm-Saison, als "die schlimmste Zeit des Jahres". Weihnachten ist rum und jetzt wäre deswegen eine gute Zeit, der bestimmt interessierten Weltbevölkerung mitzuteilen, wie scheiße doch alles war. Das Problem ist nur: Es war nicht scheiße. Spaßbremsen, wie "Ich bin schwul/schwanger/zum Protestantismus konvertiert/Vegetarier" oder "Wir lassen uns scheiden" oder "Ich will Zirkusakrobat/Rockmusiker/Zuhälter/Unternehmensberater werden", gabs einfach nicht. Weihnachten war wie immer für alle Beteiligten Dienst nach Vorschrift - einzig irritierend war, dass auf einmal nach über 20 Jahren mein Vater darauf verzichtet hat, seine ureigenste Aufgabe (die Lichterkette an den Christbaum legen) zu erfüllen. Ob das was zu bedeuten hat? Der wirklich revolutionäre Umstand, dass ich es geschafft habe, einen totalen Verzicht an Strohsternen beim Christbaumschmuck durchzusetzen, verblasst vor diesem Hintergrund...

Aber wer meint, dass ich mich vielleicht in den letzten Tagen mit dem Leben versöhnt haben könnte, der irrt. Weihnachten war okay. Die Zeit davor nicht. Bevor ich mich der heimeligen Familienidylle hingeben konnte, musste ich immerhin noch die Hölle durchqueren: U-Bahn fahren. Wir wissen alle, dass laute Musik durch Kopfhörer sowie ein ordentlicher Schnupfen essentielle Schutzmaßnahmen sind. Seit Weihnachten gehört für mich Augen ausstechen ebenso dazu. An Hässlichkeit, Modesünden und sonstig Unästhetisches ist man ja gewöhnt. Aber nicht an das:

Ein Junge - ein fetter Junge - ein unglaublich fetter Junge - ein unglaublich fetter und hässlicher Junge - ein unglaublich fetter und hässlicher Junge, der so unglaublich fett und hässlich war, dass man gar nicht schätzen konnte, wie alt er denn war - so fett, dass bereits seine Wangen Kontakt mit der Gravitation hatten, folglich seine Mundwinkel bis ans Dreifachkinn heruntergezogen waren - diese Hackfresse, in der sich zwei kleine Äuglein verirrt hatten, die nichts als bodenlose Dummheit ausdrücken konnten - so fett, dass es unmöglich war rechts oder links an dem Kerl vorbei zu blicken - fett, schwabbelig, monströs, abstoßend - und dann pickte er (oder versuchte zu picken) mit seinem überdimensionierten Wurstfingern, die schon so fett waren, dass er kaum mehr die Gelenke zu benutzen wusste, in einer Packung Manna-Schnitten umher - ein ekelerregender Kampf in Zeitlupe, als ob ein Schaufelbagger ein Streichholz hochheben wollte - bis zum Siegeszug des Jungen, wenn er es geschafft hat die Fettschichten in seinem Gesicht für kurze Zeit aus dem Weg zu räumen, so dass er eine kleine Öffnung namens Mund hinbekommen hat, und dann dorthin mit seinem Patschehändchen mit voller Wucht eine Waffel reinpatschen konnte - das anschließende Kauen kann man nicht beschreiben - noch schnell Finger abschlecken und ab gehts zur nächsten Waffel - von 20 Minuten U-Bahnfahrt 19 Minuten dieser Terror. Danke, Leben. Immerhin kein Tsunami.

Nicht mal Mitleid habe ich bekommen. Statt dessen die mütterliche Weisheit "Setz Dich halt woanders hin." Hier merkt man wieder den Unterschied zwischen Menschen mit Uni-Abschluss und Menschen ohne Uni-Abschluss.

Das sprach ich am 22. Tage der Suchtmittelfreiheit.

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