Spontan habe ich beschlossen, ab sofort allen Franko-Kanadiern Sympathie zu entziehen. Weil: Franko-Kanadier sind scheiße. Diese Form des Rassismus gründe ich auf der statistisch überaus repräsentativen Grundmenge von "1". Ich bin unglaublich stolz auf meine intellektuelle Leistung von "einer" auf "alle" Personen zu schließen. Das muss mal erstmal können. Ich, der Superheld! Aber das dürfte ja mittlerweile schon jedem bekannt sein.
Was ist passiert? Es ergab sich, dass sich ein Teil meiner Hausmitbewohner und ich auf ein Bier getroffen haben: Zwei Franzosen, eine Franko-Kanadierin und eben ich. Franzose 1 kann gut deutsch und etwas weniger englisch; Franzose 2 spricht gut englisch und etwas weniger deutsch; Franko-Kanadierin ist eben Franko-Kanadierin und ich kann halt kein französisch. Die Franzosen waren so nett und haben zumindest versucht, mich per Englisch am Gespräch teilhaben zu lassen. Die Versuche sind ziemlich kläglich gescheitert, weil die Franko-Kanadierin sehr betont frankophon auftrat. Soziale Ausgrenzung durch Sprache! Aber ich konnte auch nicht wirklich böse sein, weil die Tusse sich ja so ziemlich 15 Mal bei mir entschuldigt hat, dass sie jetzt zufällig mal wieder ins Französische gerutscht ist.
Manche einsame (d.h. unfreiwillig sozial ausgeschlossene) Menschen hocken sich ja in eine Kneipe, um zumindest so zu tun als seien sie unter Menschen. Ich habe erkannt, dass ich nicht dazu gehöre. Ich habe mehr Spaß daran, alleine irgendwo eingeschlossen die Welt zu hassen, als zu versuchen, irgendwoher Beachtung und Anerkennung zu erhaschen. Was lieber? Franzosen bei einem Gespräch auf französisch über die Sehenswürdigkeiten von Paris zu belauschen und ab und zu mal ein "Oh, sorry" abzubekommen? Oder Zombies abballern?
Immerhin brauche ich mich angesichts der franko-kanadischen Aussprache des "th", das "thirty" nach "dirty" klingen lässt, nicht mehr für mein deutsches Versagen in dieser Hinsicht schämen. Was nichts daran ändert, dass Franko-Kanadier scheiße sind - und zwar alle! Durch die Bank!
Die Tendenz nationale Bollwerke zu bilden, um sich gegen die große, böse Welt zu schützen, gibts natürlich auch unter den Praktikanten-Gestalten im Europäischen Parlament. Besonders intensiv ist dieses Bedürfnis unter Franzosen, Italienern und Spaniern. Da passiert es schon mal, dass man von seiner festen Absicht, mal alleine Mittag zu essen, um mal Ruhe zu haben, durch ein "Hey, schön, dass Du da bist. Setz Dich zu uns!" abgebracht wird, nur um dann eine halbe Stunde sprachlich sozial ausgegrenzt zu werden. Sprich, man isst alleine zu Mittag, hat aber keine Ruhe. Obwohl ich doch ausnahmsweise mal bereit war, zumindest ein Stückchen weit, die Notwendigkeit, Small Talk zu betreiben, anzuerkennen.
Aber allmählich vergeht geht mir auch die Lust, eine kommunikative Fassade aufrechtzuerhalten. Kein Interesse mehr daran, mich Snobismus auszusetzen, weil ich dem Gegenüber zu wenig weiblich bin, zu wenig nicht-deutsch bin, zu wenig "reich" bin, zu wenig Elite bin, zu wenig Master-Studiengänge absolviert habe (dass ein Magister Artium im Grunde auch was tolles ist, ist denen egal - klingt nicht international genug und ist eben kein Master), zu wenig Brüssel-Begeisterung zeige oder zu wenig "open mindedness" habe (sprich ich behalte meine Ansichten und Meinungen in einem Gespräch und passe sie nicht meinem Gegenüber an). Aber über die verquere Attitüde der meisten Praktikanten hier habe ich mich bereits ausgelassen.
Die restliche Zeit hier werde ich nun nutzen, die Freaks, Outsider und Gemiedenen aufzuspüren und mich mit ihnen anzufreunden. Tschakka! Oder Eigenbrödler werden und vor mich hergrummeln...
Samstag, 8. März 2008
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1 Kommentar:
Dann viel Glück bei der Suche... ich hoffe mal für dich, dass Teile der Freaks, Outsider und Gemiedenen überhaupt die Chance eines Praktikums, Trainees oder was auch immer bekommen haben. "Nicht-Gesellschaftsfähige" haben es da sicher nicht so einfach.
Und an den Rest der Mischpoke gewöhnst du dich am besten, denn die werden auch noch den Rest deines (beabsichtigten) Berufslebens deine Wege kreuzen - und das wahrscheinlich nicht zu knapp.
Die Hamburgerin
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