Mich befällt das Gefühl, für diese Welt zu simpel gestrickt zu sein. Letzte Woche traf ich auf viel "Design" und stand wie der Ochs vorm Berg. Eigentlich mag ich Artifakte. Das ganze Naturgedöns mit Wandern, Panorama-Ausblicken, Streichelzoo und Vier-Blättriges-Kleeblatt finden, bringt selten irgendwelche Regungen in mir hervor. Menschen, die im 'Einklang mit der Natur' leben wollen, sind mir suspekt. Ich glaube, selbst die 'Natur' scheißt sich einen um diese Leute. Ich bin ein großer Fan der Naturbeherrschung durch den Menschen. Kunststoff, Keramik, Stahl - alles feine Dinge. Damit kann man viele nützliche Dinge machen. Kloschlüsseln, Spülkästen und Wasserrohre beispielsweise. Fertig ist das WC. Klasse Sache. Nützliche Dinge sind prima. Nützlich und gleichzeitig schön - dem kann man sehr viel abgewinnen. Aber nur schön? Oder besser: designt, gestylt? Das muss doch nicht sein, oder?
Angefangen hat es ja wieder mit meiner Lieblingslektüre: dem Zeit-Magazin. Selbstverständlich wieder eine Design-Ausgabe. Da Schwarz nun das neue Weiß, das seinerseits das neue Schwarz war, ist, konnte ich viele schwarze Dinge begutachten. Und da Schwarz definitiv das neue Weiß ist, wurden auch die Fotografien völlig neu gestylt und die schwarzen Objekte auf schwarzem Hintergrund in dunklen Räumen abgelichtet. Auf mehreren Seiten. Ich war so was von der Rolle. Man erkannte nichts und die Bildunterschriften a la "'All Black Bike' von Hublot (oben); Hocker 'Reel' von Atelier Oi für B&B Italia, Lampe 'Bond' von Bruno Rainaldi für Terzani (unten)" waren in etwa so aussagekräftig wie die üblichen Beschreibungen in Museen. Ich komme nie auf solche Ideen. Mir fällt nur die Ostfriesenfahne mit weißem Adler auf weißem Grund ein. Daran liegt es wohl auch, dass ich schnöde PR-Schlampe geworden bin und kein oberhipper Zeit-Magazin-Redakteur.
Oder Werbe-Kreativer. In derselben Ausgabe stolperte ich über eine Anzeige, von einem Kofferhersteller. Wie inszeniert man eine stylische Designanzeige für einen Koffer? Man verwende einen Koffer als Motiv. Bisschen old-school-mäßig mit weißem Hintergrund. Um die Sache aufzupeppen, lässt man noch eine sehr blonde Frau mit sehr langen Beinen und sehr kurzer Anzughose sowie sehr hohen Absätzen auf diesem Koffer sitzen. Tadaa, fertig ist die Kofferwerbung für oberschichtige Intellektuelle...
Fortsetzung des Design-Kontakts lieferte eine Dienstreise zu einer Industriedesign-Firma. Gleich der Begrüßungsaschenbecher vor der Tür signalisierte, dass hier der Style regiert. Weiter ging es mit der Rezeptionstheke, die sich auf mehrere Meter erstreckte und auf der sinnigerweise der Computermonitor am einen und das Telefon am anderen Ende platziert war. Dazwischen die Mitarbeiterin auf einem - immerhin - Rollenstuhl. Bewegung soll bekanntlich Gutes bewirken. Das dringliche Geschäft nach fünf Stunden Autofahrt endete in einem High-Class-Urinal und mit dem Waschbecken-Wasserhahn war ich einige Zeit beschäftigt, da ich vor lauter Design nicht herausbekam, wie ich ihn wieder zudrehe. 'Drehen' ist natürlich sinngemäß gemeint. So ein Rädchen wäre viel zu altmodisch und zu einfach. Bei Wasser und Kaffee gab es auch gleich die freundliche Warnung, Gläser und Tassen dürften für einen Außenstehenden etwas ungewohnt sein. Nicht-zylindrische Gläser mit Stamperlvolumenfassungsvermögen und stilvoller In-den-Mund-Zuführ-Unterstützung - ah ja. Zylindrische Tassen - okay. Kenn ich. Hab ich auch. Diagonale Henkel - schon schwieriger. Kanne ellenlang und -schmal, was bekanntlich hervorragende Voraussetzungen für einen grundsoliden Schwerpunkt sind. Immerhin gab es Filterkaffee. Wahrscheinlich aus einer strunzbanalen Melittamaschine...
Aber alles das bleibt wohl jemandem, der nicht mal weiß, was ein Duschschwamm ist, verborgen. Der ganze Chic nährte trotz allem in mir das Verlangen meine Ikea-Esstischkombination zu erneuern. Nur habe ich das Glück ein Gehalt zu haben, das weit unter der Ich-leiste-mir-jetzt-mal-ordentlich-Design-Grenze liegt.
1 Kommentar:
ich möcht nur mal anmerken: designmässig ist ikea eh ganz weit vorn. die haben es letztes jahr sogar in die pinakothek der moderne geschafft! "democratic design" nennt sich das ganze. schön&schön billig. wenn man die sachen von ikea mal mit den restlichen möbelhäusern der umgebung vergleicht schlackern einem die ohren bei den preisen die die herrschaften für ihren biedere, altbackenen sch... verlangen. oh, und das beste: die schöneren sachen (die weit vorne im verkaufsraum stehen) sind zu grossen teilen kopien von ikeamöbeln, nur halt teurer.
klar, mit rolf benz und dem ganzen anderen "echten" schicki-design-kram kann man's nicht vergleichen, da fehlt dann einfach das eingebaute prestige. andererseits - als pr-schlampe kann man das ja einfach aufmöbeln (höhö) und sich selber einen passenden aufkleber/-näher draufmachen, man muss nur überzeugend sein!
p.s.: falsch zusammenbauen hilft ungemein, die standardmodelle von ikea kennt nämlich fast jeder...
Kommentar veröffentlichen