Auf europäischer Ebene gibt es einige gute Neuigkeiten zu vermelden: Die Kommission der Europäischen Union hat sich öffentlich zur Praktikanten-Problematik geäußert: In einem gerade veröffentlichten Papier, sagt die Kommission, dass sie Praktika für ein wichtiges Instrumente (sic!) hält, besonders für junge Menschen um Berufserfahrung zusammeln (sic!) - allerdings nur, wenn sie mit dem Ausbildungs- oder Studienplan verknüpft sind. Praktika mit geringem oder ohne Entgelt und begrenztem Weiterbildungswert sollen (!) dagegen vermieden werden.Alles schön und gut, nur zu viele Hoffnungen sollte man sich da auch nicht machen. Wer einerseits den Text genauer liest und andererseits etwas Ahnung von der Reichweite einer EU-Sozialpolitik hat, der spürt, dass die EU hier höchstwahrscheinlich mal wieder nur symbolische Politik betreibt. Man sollte also lieber kein Ergebnis erwarten. Nicht weil in der EU die Mühlen der Politik besonders langsam mahlen, sondern weil in der EU die Mühlen der Sozialpolitik gar nicht mahlen.
In einer Pressekonferenz fand Kommissar Vladimir Spidla, der für Beschäftigung, Soziales und Chancengerechtigkeit verantwortlich ist, deutlichere Worte: "Praktika können ein Türöffner zur Beschäftigung sein, aber junge Menschen, die sich von einem Praktikum zum nächsten hangeln, ohne Aussicht auf reguläre Arbeit, und das dann auch noch ohne bezahlt zu werden, das ist skandalös!"
Aus diesem Grunde wird die Kommission in 2008 (sic!) eine Initiative für eine europäische Qualitätscharta für Praktika vorschlagen. Außerdem wird sie Druck auf die EU-Mitgliedstaaten ausüben die Rahmenbedingungen für faire Praktika zu schaffen. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt der Lobby-Arbeit von Generation P zu verdanken, unserem europäischen Netzwerk zu Praktikantenorganisationen in Belgien, Frankreich, Italien, Österreich und Spanien, welches fairwork 2006 mitbegründet hat (www.generation-p.org). Unsere Arbeit scheint langsam Wirkung zu zeigen.
Die zentrale Forderung der Generation P besteht ja in der gerechten Entlohnung von Praktika - und Lohnfragen sind seit jeher in der Kompetenz der einzelnen Mitgliedstaaten. Die EU hat Befugnisse nur in (den auch wichtigen) Bereichen Gesundheitsschutz, Arbeitsplatzsicherheit und Geschlechtergerechtigkeit - definitiv keine hat sie beim Arbeitsentgelt (vgl. Art 137 EGV). Deswegen kann die EU in Form des Sozialkommissars auch nur "Äußerungen", "Vorschläge" und "Initiativen" diesbezüglich abgeben. Man ist also nicht weit entfernt von der Idee einer erneuten freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft - bekanntlich der Euphemismus für das freie Walten der Marktkräfte und der konsequenten Nicht-Einhaltung dieser Selbstverpflichtung. Mit anderen Worten: "Qualitätschartas" (oder noch schlimmer: Initiativen für Qualitätschartas) sind fürn Arsch. Das einzige, was die Wirtschaft gefügig macht, sind Gesetze - oder eher: die Fähigkeit des Staates, Strafgelder zu verhängen. Und höhere Kosten scheuen Arbeitgeber wie die Hiphop-Proltussen in meiner Gegend die deutsche Grammatik.
Über den Schutz der Arbeitnehmer, also die Einschränkung der Marktkräfte, bzw. über einen Mindestlohn, einer klaren Intervention in das angebliche Gleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, entscheidet der nationale Gesetzgeber. Wenn also Lobby-Arbeit zum Ziel führen soll, dann dort. Das wurde auch bewiesen als mit einer Forderung nach einer gesetzlichen Festlegung des Arbeitsverhältnisses "Praktikum" (was im Grunde das faktische Verbot von Praktika bedeutet hätte) einer der meistunterschriebensten Petitionen in den Bundestag eingereicht wurde. Ergo: "Der Souverän", "der Wähler", "die Bevölkerung" findet das alles ziemlich scheiße. Nur bezeichnend für die Suche nach dem Gemeinwohl in einer demokratisch-kapitalistischen Staatsform gabs auch hier als Ergebnis nur viele heiße Luft und sehr viel "Verständnis" und "Besorgnis" - aber die bürokratische Belastung könne man den Unternehmen nicht zumuten, die geringere Flexibilität im Arbeitsmarkt könne sogar dazu führen, dass weniger Arbeitsplätze geschaffen werde usw. Viel (von vielen) gefordert, nichts erreicht.
Was bedeutet das für unsre freudige Meldung? Am Ende bleibt also nur der typische sozialdemokratische Jubel in einer kapitalistischen Wirtschaft übrig. Man freut sich schon, wenn jemand zuhört und sich zu einem Lippenbekenntnis bequemt. Glück auf!
1 Kommentar:
Lieber Blogger, Dein dokumentarisches Tagebuchprojekt gefällt mir sehr gut, zumal ich gleichaltrig und mit nahezu denselben Studienfächern auch in der identischen Situation und Sinnkrise stecke. Ich hoffe der Blog bleibt mit der spannenden Mischung aus Gelassenheit und Resignation im Netz erhalten und aktuell. Anmerkung: den Wissenschaftsladen Bonn (wilabonn.de) und seine wöchentliche Zeitschrift kennst Du sicher?! Dort werden, was überhaupt lächerlich selten geschieht, Stellenangebote für das Betätigungsfeld Powi zusammengestellt. Ich freue mich auf weitere Einträge! Viele Grüße und den baldigen Erfolg wünschend: Alles Gute aus Jena
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