Samstag, 29. September 2007

Zäsur

Dieses Wochenende ist etwas besonderes: Mein letztes Wochenende als Student. Am Montag bin ich dann endgültig ohne Ausflüchte und Versteckmöglichkeiten: Arbeitslos!

Sonntag ist der letzte Tag, an dem meine Armut offiziell per Studienausweis bescheinigt wird. Offiziell bescheinigte Armut ist gut, weil dann gibts Vergünstigungen. (Einfach nur so arm zu sein, ist einfach nur elendig. Aber dazu später.) Jetzt müsste ich eigentlich, wie der klischeehafte Krebskranke, der noch 3-96 Monate zu leben hat, überlegen, was ich denn noch alles in meiner verbleibenden Zeit machen muss, damit ich ein erfülltes Leben hatte. Wenigstens bin ich in der guten Lage, solchen Mist wie "Einmal nur noch den/die/das Eiffelturm/Pyramiden/Chinesische Mauer/Disney Land/Meer/Petronas Tower/Hofbräuhaus sehen" oder "Ich muss noch einige Dinge mit einigen Menschen klären, damit ich in Frieden sterben kann" oder "schnell noch den Weltfrieden herbeiführen bzw. ein Heilmittel gegen AIDS finden - sonst habe ich ja umsonst gelebt" getrost ignorieren zu können. Noch.

Stattdessen geht es in meiner Situation um viel profaneres, und damit realistischeres: nämlich Geld! Ich muss mir jetzt also überlegen, was ich noch alles machen muss, damit ich einen ordentlichen Batzen Geld gespart habe - und es jedem verkünden kann, der es eigentlich auch gar nicht hören will. Insbesondere meinen Enkelkindern, die ich mir aus Langeweile doch noch irgendwoher besorge.

Also schnell (hab ja noch 32 Stunden) in alle Museen und Ausstellungen, in den Tierpark, ins Kino (weiß ich allerdings nur vom Hörensagen), ins Fußballstadion, ins Theater, in die Oper usw. rennen; einen Döner in dem Laden in der Türkenstraße essen, der Studis 50 Cent Rabatt gibt; schnellstens alle bisher ignorierten Angebote ausnützen, mit denen der Zentrale Hochschulsport einen überschüttet (unvergessen: Body-Styling, Step-Aerobic, Zirkel-Training); zum millionsten Mal auf den Alten Peter steigen; alle kostenlosen PC-Kurse für Studierende absolvieren, selbst wenn es der Winword-Anfängerkurs ist ("Mit 'Dokument speichern' speichert Ihr das Dokument"); nochmal ne Rundreise mit dem MVV machen (alias Familienbesuch: München-Nord: ich; München-Nordwest: Tante 1; München-West: Bruder; München-Südwest: Eltern; München-Süd: Tante 2; München-Südost: Opa; München-Ost: Tante 3; München-Nordost: ... da wohnt keiner, weil Bogenhausen, Englischer Garten, Oberföhring und so...)

Was ich allerdings tatsächlich getan habe, war extrem krasses Soft-Skilling dank meiner offiziellen Armutsbescheinigung: Ich habe mir für wenig Geld bei der Universitätsbibliothek Benutzerhandbücher "für die gängigen MS-Office-Produkte" besorgt. Nun kann ich alles, ja ALLES - insbesondere Dokumente speichern, weil das ist dort auch nochmal schriftlich festgehalten. Wer jetzt denkt: "Was ist denn das für nen Depp?" sollte sich erstmal mit Begriffen wie "Formatvorlage", "automatisch generiertes Inhaltsverzeichnis" oder "manuell eingefügter fortlaufender Abschnittswechsel" vertraut machen, bevor er auf die Kommentarfunktion klickt. Außerdem, ich weiß: OpenOffice ist viiiiiiiel besser, weil das viiiiiiiel logischer aufgebaut ist, vor allem weil "Seite einrichten" nicht unter "Datei" steht, sondern unter "Format" zu finden ist, wo es ja auch eigentlich hingehört..blabla... Aber! OpenOffice ist kein Soft-Skill, ihr Heinis. Das ist sowas wie Tagebuch schreiben als Qualifikation für nen Journalisten-Job. .... "Aber OpenOffice und vor allem Linux sollten viel mehr Menschen einsetzen, dann ginge es der Welt viel besser...." - jaja, mich sollte auch mal jemand einstellen, dann ginge es mir auch viel besser....

Nachdem ich jetzt dann durch das Marathon-Programm sehr viel Geld gespart habe, ist der Übergang von offizieller Armut zu inoffizieller Armut auch gar nicht mehr so schlimm. Finanziell also vollkommen auszuhalten. Subventionen sind eh scheiße. Was juckt da einem noch, dass plötzlich Sonderposten wie Kranken- und Haftpflichtversicherung auftauchen, die Zeitung doppelt so teuer wird, das MVV-Ticket einen Aufschlag von 34% verlangt und gar die hundsgfickte Stadtsparkasse fortan für das Girokonto 5 Euro pro Monat haben will.

Nun gut: Das Luxusleben ist vorbei, also Zeitung gekündigt und durch Probe-Abos ersetzt; ein kostenloses Girokonto gesucht und dort wieder festgestellt, dass Arm sein irgendwie uncool ist: "Wir haben Ihre Bonität geprüft und mussten feststellen, dass es uns leider nicht möglich ist, Ihnen ein Girokonto bei uns zu eröffnen." Aber durch ein wenig kreatives Auslegen meiner momentanen finanziellen Situation doch noch einen gefunden, der mir eins gibt - inklusive Gratis-Kreditkarte. Ich Held.

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