Eigentlich ne erfreuliche Sache, wenn da nicht mal wieder ein Bewerbungsgespräch anstünde - was impliziert: Menschen sehen, hören, riechen und vor allem mit ihnen reden. Oh, Scheiße. Die Ansage von meinem Gesprächspartner, ich solle mir Zeit mitnehmen, denn er möchte gerne intensiver und länger die Kandidaten befragen, ist in dieser Situation fast schon Hohn pur. Zusätzlich motiviert wurde ich noch durch die Bitte, Arbeitsproben meiner Formulierungskünste vorzulegen - denn ich habe keine. Meine Magisterarbeit liest nicht mal meine Mutter, obwohl sie es hoch und heilig versprochen hat und dieses Blog sollte jeder lesen, nur nicht meine potentiellen Arbeitgeber. Wenn ich heute noch mal gefragt werde, was Motivation für mich sei, rotz ich dem ins Glas...
Vor Glück jauchzend durch die Wohnung gehüpft bin ich dann, als ich meinen Zielort in den Stadtplan eingegeben habe: Perlach! Nicht Neu-Perlach, was auch schlimm wäre, sondern Perlach. Neben Giesing. Aber in Giesing gibts immerhin ne U-Bahn - ebenso in Neu-Perlach. Aber ich bekomme Perlach. S-Bahnfahren ist so erniedrigend...
Hilft ja alles nichts - als Abkömmling einer Arbeiter- und Bauernfamilie hat man keinen goldenen Löffel im Arsch stecken und muss nehmen, was kommt. Das zum Thema "Jeder ist seines Glückes Schmied". Ihr Ficker. Ihr wirtschaftsliberalen Dreckssäcke!
Auf nach Perlach - natürlich malträtiert von einem alten permanent hüstelnden Alki neben mir und mir gegenüber einem spackigen 12-jährigen mit seinem Nintendo DS, der, wenn er sich über seine Konsole beugte, eine waagrechte Linie von Schulranzen, Schulter und Hinterkopf fabrizierte, die sich zur Krönung am Ende auch noch unterhielten - vorbei an einem "Massagesalon", einem echten Massagesalon und der AOK - und nach nur einer Stunde war ich dann endlich bei der PR-Agentur, bei der ich Trainee werden will.
Was kam, war überraschend - vor allem, weil "Zeit mitbringen" drei Stunden dort verbringen, bedeutet. Eine Stunde lang das übliche "Erzählen Sie mal was von sich"-Getue mit "Was biete ich ihnen" und "Was bieten die mir", dann eine Stunde lang eine kleine Aufgabe absolvieren - mit der Intention, was über meine Herangehensweise, meine Kenntnisse und mein Denken zu erfahren und dann eine weitere Stunde "Geplaudere".
Nachdem ich meine letzten Kraftreserven doch noch mobilisieren konnte, eine halbwegs professionelle Fassade aufzubauen, lief es eigentlich ganz gut. Die fehlenden Arbeitsproben waren tatsächlich kein Nachteil und die Aufgabe habe ich wohl beeindruckend bewerkstelligt - immerhin ging das Gespräch danach noch eine weitere Stunde lang. Eingeleitet von diesem Dialog:
Er: Waren Sie eigentlich am Anfang eigentlich nervös oder angespannt? Sie waren da so ernst. Aber jetzt merke ich, dass es bei Ihnen auch anders geht. Woran lag das?Kurzum: Am Ende stand dann die Aussage "Also, ich könnte es mir schon vorstellen, dass wir zusammenarbeiten könnten.... muss aber noch die anderen Gespräche abwarten." - wie viel Wert der Spruch hat, erfahre ich Ende nächster Woche. Die geschilderten Bedingungen sind definitiv kein Grund, den Job nicht zu ergreifen. Jetzt heißt es erstmal wieder warten und nicht zu optimistisch sein - aber darin bin ich mittlerweile geübt.
Ich: Ich war primär krank - ich war auch ein wenig demotiviert, also nicht was hier betrifft, sondern wegen der Krankheit. Aber ansonsten bin ich dann doch eher der nüchterne, sachliche, emotionsausdrucksarme Mensch.
Als ich dann nach draußen begleitet wurde, freute ich mich schon, dass es vorbei ist und ich endlich nach Hause kann. Doch ich stand in Perlach! Man kann es sich kaum vorstellen, welch deprimierenden Ort so ein verlassener S-Bahnhof im Dunkeln abgeben kann. Und warum muss genau dann, wenn ich mich nach Hause kämpfe, halb München meinen, meine U-Bahn zu benützen? Türkische Großfamilien mit drei Kinderwägen, Schulgruppen, Trupps männlicher, hässlicher, eklig angezogener, angetrunkener Englisch-Sprachiger usw. Und das den ganzen Weg von Giesing nach Milbertshofen....
Jedenfalls wieder ne Menge Motivation, auch morgen gut gelaunt zum Gespräch bei dem großen Autokonzern für ein Praktikum in deren innerer Unternehmenskommunikation zu erscheinen.
3 Kommentare:
Würdest du für die Quälerei wenigstens Geld bekommen?
Bei dem Traineeship? Ja, da gibts Geld. 1500 im Monat und wenn ich mich bewähre 1800.
Alles - bis auf Perlach - spricht für diesen Job ;)
Na, dann sollte Perlach wirklich das kleinste Problem sein - auch wenn man ja angeblich in der Medienbranche nicht vor 22 Uhr das Büro verlassen darf und dann möglicherweise gar keine S-Bahnen mehr fahren ;)
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