Mittwoch, 1. Oktober 2008

Sieg auf der ganzen Linie

Momentan sieht es zwar auf der ganzen Welt aus als würde hier geschwächelt, aber das ist alles bloßer Schein. Vertrauenskrise, Liquiditätskrise, Stockung der Zirkulation, blabla, Scheißendreck. Ich verkünde die bittere Wahrheit. Die Totalitärität des Kapitalismus ist, nun ja, total geworden. Die letzte Bastion, das letzte Refugium der Arbeiterklasse ist geschleift: der Vollrausch. Das letzte Mittel sich der disziplinierenden, kontrollierenden, alles durchdringenden Macht des Systems zu entziehen, der letzte Ausweg aus dem Elend der Routine, das letzte Heilsversprechen, der Weg ins Glück, die Rebellion gegen die Verhältnisse via selbstbeigefügter Ausschaltung des menschlichen Kontrollzentrums sinkt herab zu einem erbärmlichen, sklavenhaften Dasein und reiht sich ein in die Masse der Büttel des Kapitals. Wie das? Der Plan war tückisch, die Methoden niederträchtig: Wiesnbesuch mit der Arbeit.

Zechen, fressen, "Spaß haben" von Cheffe verordnet. Das heutige zu realisierende Tagesprojekt: Betrunken sein. (Echte Männer und mittlerweile auch echte Frauen "machen" nichts mehr, sie "realisieren" etwas, nur um das mal ausdrücklich zu realisieren) Weil aber mein Chef Stil und Niveau hat, gabs nicht diese Proleterei mit in nem Bierzelt auf Bierbänken hopsen und so, sondern nur gehobenere Biergartensitzerei. Beim Alkoholgenuss erlebte Menschenfreundlichkeit, Brüderlichkeit, Gleichrangigkeit - klingt fantastisch. War's auch. Als Lohnknecht sitzt man da, erlebt auch auf der Bierbank den Klassengegensatz, den trennenden Unterschied vom kommandierenden Arbeitgeber und dienerhaften Angestellten in voller Härte und ist tunlichst darum bemüht, weniger betrunken zu sein als der Gegenüber. Das Schicksal verlangt es von einem. Dank Abhängigkeit muss man noch beim Kontrolle verlieren die Kontrolle behalten. Oder erst auf Erlaubnis durch Vorzelebrieren warten.

In meinem Fall war das zugegeben noch ziemlich einfach. Chef hat bezahlt und auch die Runden geordert, dabei aber seine Trinkgeschwindigkeit als Maßstab genommen. Selbst einen Liter Wasser könnte ich nicht schneller trinken. Der Schnaps wurde von mir unter den Tisch gekippt. Mehrmals, denn ein Drittel Liter Schnaps ist bei der Größe unseres Betriebs nicht unbedingt sofort weg. Der anstrengende Kompromiss zwischen einem würdevollen "Nein danke, ich trinke keinen Schnaps" und der in dieser Situation gebotenen Arschkriecherei. Nach dieser exzellenten Selbstverleugnerei, nach drei Monaten Lohnsklaverei ordentlich trainiert, war der Abend eigentlich ein Spaziergang. Nach vier Maß und vier Schnaps zeigte einem der Chef noch gratis wie man Frauen nicht anbaggert, nicht gerade Laufen kann und warum man(n) froh sein darf, ein Y-Chromosom zu besitzen.

Er war aber wie immer als erstes im Büro...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Meintest du Totalität?